Donnerstag, Juni 28, 2007

Sockenschuss


Seit Wochen beherrscht ein Thema die SZ. Threads über Threads wurden eröffnet und die Wogen schlugen bisweilen hoch.
Schon im letzten Jahr war ähnliches zu beobachten. Selten gehen die Meinungen so auseinander, selten werden die Argumente so gefühlsgeladen vorgebracht.

Es geht mal wieder um Schusswaffen. Ein User stellte eine Bilderserie ein in der eine Waffe und ein Mord mit einer Schusswaffe in Szene gesetzt wurde. Daran erhitzten sich die Gemüter.

Gehören Schusswaffen überhaut zu BDSM?
Wo ist der Kick, wenn die Schusswaffe doch gar nicht bestimmungsgemäß eingesetzt werden kann?
Woher nimmt Sub den Kick, wenn er/sie doch weiß, dass gar nichts passieren kann?

Konsens ist, dass Schusswaffen gefährlich sind, dass man jemanden nicht ein bißchen erschießen kann und dass mit Schusswaffen vorsichtig und verantwortungsvoll umgegangen werden muss/sollte. Immerhin besteht hier ein Konsens - ich bin froh darüber.

Aber da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf.

Es gibt Menschen, die generell eine (begründete) Abneigung gegen Schusswaffen haben. Die Gründe dafür sind nicht immer offensichtlich, aber manche haben sich auch dazu geäußert, sind z.B. schon einmal mit einer Waffe bedroht worden im nicht BDSM Kontext, haben vielleicht die verheerenden Wirkungen von Waffen in einem der Krisengebiete der Erde selbst gesehen oder miterlebt, haben erlebt wie andere mit einer Haltung an Waffen herangegangen sind (Bundeswehr/Wehrdients) die ihnen nicht gefallen hat, oder dazu führte, dass sie Waffen nie mehr anfassen oder in erreichbarer Nähe haben wollen.
Für alle diese Menschen und ihre Gründe habe ich vollstes Verständnis.

Kein Verständnis habe ich allerdings für die Vehemenz, mit der denen, die auch der Schusswaffe eine gewisse erotische Faszination abgewinnen können, jeglicher Verstand und jedes Verantwortungsgefühl abgesprochen wird. Dies führt dazu, dass diejenigen, die das Thema Schusswaffe im BDSM nicht für generell tabu halten, sich - zu Recht - angegriffen fühlen, und das wiederum führt in regelmäßigen Abständen zur harschen Diskussionen, die auch persönliche Angriffe nicht ausschließen obwohl man sich nicht einmal kennt.

Ich selbst gehe bei Menschen, die ich nicht kenne erst einmal prinzipiell davon aus, dass es sich um vernünftige denkende Menschen handelt. Deshalb kann ich auch Beschreibungen und Praktiken stehen lassen, die für mich ein absolutes NOGO sind. Diese NOGO kann ich ausformulieren und begründen - und als ICH-Aussage in eine Diskussion werfen. Anderen den Verstand abzusprechen oder sie als Vollidionten zu beschimpfen macht für mich keinen Sinn.

Das Thema Schusswaffen ist sicherlich zu Recht ein Reizthema - die Gewalt mit Waffen ist auf dieser Welt alltäglich, leider. Das macht es so schwer sachlich darüber zu reden.

Meine Faszination für Schusswaffen bleibt ambivalent. Sie war lange so ambivalent, dass ich sie mir selbst nur schlecht eingestehen konnte - eben WEIL ich weiß, welches Leid damit erzeugt werden kann, WEIL ich weiß, dass ein Schuss der sich löst sich nicht nur ein bißchen löst. Es hat eine Weile gedauert, bis ich für mich selbst ein JA dazu gefunden habe Schusswaffen zu mögen und das was mit ihnen angerichtet wird gleichzeitig aufs Schärfste zu verurteilen.

Manchmal beschleicht mich der Eindruck, dass innerhalb der BDSM-Gemeinde aufgrund der Randgruppen-Situtation besonders heftig um Regeln gerungen wird. Steckt die Angst dahinter wieder völlig in die Schmuddelecke abgeschoben zu werden, wenn jetzt da auch noch welche mit Schusswaffen rumfuchteln? Beschleicht den einen oder anderen das Gefühl, er könnne nicht mehr guten Gewissens irgendwie zu dieser Gruppe gehören, wenn dort Schusswaffen als "legales" Mittel zum Zweck verwendet werden? Woher kommt diese hohe Emotionalität? Warum wird auf das Waffengesetz verwiesen, obwohl zum Teil über Imitationen und nicht schussfähige Atrappen gesprochen wird? Warum wird Menschen abgesprochen mit diesem Instrument AUCH verantwortlich umzugehen und sich an einfache Regeln zu halten, zu denen man selbstverständlich ins Auto steigen würde?

Eine anderer Fraktion hält das Spiel mit der Waffe einfach für langweilig. Das kann ich noch am besten verstehen. Die einen, weil es sie generell nicht kickt, andere, weil sie die reale Bedrohung suchen und dieses nicht mit einer Schusswaffe herzustellen ist, da diese nicht eingesetzt werden kann, im Gegensatz zu einer Peitsche und anderen Intrumenten.
All dies hat mein vollstes Verständins - auch hier jedoch nicht die zum Teil heftig abwertenden Kommentare denen gegenüber, die es eben anders sehen.

Die vehemente Ablehung sowie die Faszination von Schusswaffen liegen meineserachtens beide in der hohen potentiellen Gefährlichkeit begründet.
Das Spiel (!) mit dieser und das sich hineinfallen lassen in eine Situtation, die keiner im Leben wirklich erleben möchte, kann starke Gefühle auslösen, genauso wie das Spiel mit der Vergewaltigung, nur das letzters besser aktzeptiert wird. Hier möchte ich provokativ behaupten, dass die Gefährlichkeit für das weitere Leben einer Person, der dies in real geschieht und nicht im BDSM-Kontext, mindestens gleichzusetzten ist, auch wenn seelische Schäden nicht so schnell sichtbar sind.

Ich werde meinen legalen Schreckschussrevolver nicht wegwerfen, ich werde auch weiterhin diesen ab und zu als Requisite einsetzten, nicht im BDSM aber in anderen Rollenspielen, einfach weil es mir Spaß macht. Ich werde mich auch weiterhin dagegen verwehren, dass ich unverantwortlich handle, denn ich weiß, dass ich dies nicht tue.
Ich werde auch weiterhin befürworten, dass der Waffenbesitz in unserem Land restiktiv gehandhabt wird.

Es bleibt ein schmaler Grat - dieses Spiel mit Waffen. Ich würde mir wünschen, dass die nächsten Diskussionen - und sie kommen bestimmt - von mehr Sachlichkeit und Wertschätzung des Gegenübers geprägt sind.

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