Donnerstag, Dezember 27, 2007

VIER und FÜNF

Fortsetzung von EINS bis DREI

VIER

Am Dienstagabend hatte er sich Zeit gelassen mit dem Heimkommen. Wenn Alexander sagte es würde spät werden, dann hieß das zumindest, dass er vor Mitternacht nicht heimkommen würde. Er hatte sich gemütlich auf die Couch gesetzt und noch einen Action-Film angeschaut, der ihn aber auch nicht so recht ablenkte. Schließlich beschloss er nach oben zu gehen und dort zu schlafen. Die Anwesenheit des Anhängers hatte ihn den Tag über immer mal wieder begleitet. Er hatte gehofft Alexander bei der Arbeit zu begegnen und war deshalb mehr als nötig durchs Haus gelaufen. Aber Alexander ließ sich nicht blicken und ihm fiel kein halbwegs plausibler Grund ein in seinem Büro aufzutauchen. Jetzt im Bett, umgeben vom Duft des Geliebten erlaubte er sich vom kommenden Wochenende zu träumen. Darüber schlief er überraschend schnell ein.

Am nächsten Morgen war der Platz neben ihm leer gewesen und unberührt. Alexander würde sich seine Gesundheit irgendwann noch komplett ruinieren. Ein unterschwelliger Ärger machte sich in ihm breit, als er sich für die Arbeit fertig machte. In seinem Büro blinkte ihn der Anrufbeantworter fordernd an und verbesserte seine Laune nicht im Mindesten. Zwischen verschiedenen Bitten um Rückruf und genervten Anfragen wegen ausstehender Projekte war eine knappe Mitteilung von Alexander, er sei verhindert und erst Freitag wieder im Hause und müsse die geplante Besprechung deshalb auf Montag verschieben. Marcus starrte den Anrufbeantworter an und sein unterschwelliger Ärger kochte kurz hoch, bevor er einem befreienden Lächeln Platz machte. Alexander hatte es wieder mal geschafft ihn zu überraschen. Natürlich hatte er schon gestern gewusst, dass er auf Dienstreise sein würde – und dann spät abends noch angerufen um auf den Anrufbeantworter zu sprechen. Auch eine Art von Liebeserklärung.

Seine Glieder wurden steif und immer häufiger versuchte er eine andere – vielleicht bequemere Lage zu finden. Die wärmende Decke lag knapp außerhalb seiner Reichweite und so fröstelte er leicht, obwohl es im Raum warm war. Einen Moment lang war er versucht heftig an den Fesseln zu reißen, nahm dann aber davon Abstand. Es würde seine Wut zwar dämpfen, aber er wollte Alexander nicht die Genugtuung gönnen. Als er das nächste Mal aufwachte stand Alexander mit einer Tasse Kaffee in der Hand in der Tür und schaute ihn an. „Guten Morgen mein Schatz!“

FÜNF

Marcus blinzelte ein wenig – die schräg durchs Fenster fallende Wintersonne blendete ihn. Alexander trug seinen Seidenkimono in diesem unglaublichen Rot, das in den einfallenden Sonnenstrahlen in tausend Farbschattierungen schillerte. Tief in seinem Innern suchte er nach seiner Wut der letzten Nacht, konnte sie aber nicht finden. Das war der Mann den er liebte, der da jetzt mit einem Lächeln in der Tür stand ihn abwartend ansah. „Guten Morgen“ antwortet er mit einer etwas belegten Stimme. Er fühlte sich nackt und als er seine Lage ein wenig änderte fühlte er zum ersten Mal bewusst die Folgen der Schläge vom vorherigen Abend. Die Haut spannte an einigen Stellen und an anderen konnte er die blauen Flecken, die sich in den nächsten Tagen erst zeigen würden, schon spüren.

Alexander kam die paar Schritte zum Bett herüber und setzte sich neben ihn. Seine Hand strich ihm über den Rücken und seine Finger folgten dem einen oder andern sichtbaren Striemen. Dann fuhr er durch Marcuss Haar und gab ihm einen kleinen Klaps auf den Hinterkopf. „Na, gut geschlafen?“

Marcus schämte sich und die Scham verschloss ihm wie so oft den Mund. Am liebsten hätte er seinen Kopf an Alexanders Brust vergraben und sich trösten lassen. Alexander zog die Decke heran und legte sie über ihn, während er ihm ins Ohr flüsterte: „Meinst du, du kannst dich heute noch zu einer Antwort durchringen?“ Marcuss Haut sog die Wärme der Decke auf und entspannte sich, während er selbst sich noch ausgelieferter und hilfloser fühlt. Er schüttelte kurz und schnell den Kopf. „Nein?“ Alexanders Stimme bekam einen amüsierten Tonfall. „Naja, dann geh ich erst unter die Dusche“. „Doch.“ brachte Marcus über die Lippen, „doch ich kann antworten. Ich meinte - ich hab nicht gut geschlafen.“ „Ach so! – Da sind wir schon zwei! – Schade eigentlich, oder?“

Marcuss Innerstes suchte nach der Lücke aus der Hilflosigkeit, der Scham und dem Ausgeliefertsein, während es sich gleichzeitig darin suhlte, wohlig schaudernd darin schwelgte. Die Ambivalenz dieser widerstreitenden Empfindungen hatte er nie so ganz verstanden und in den kurzen Momenten in denen er seinem Verstand erlaubte dies zu analysieren, war er jedes Mal schon an der Frage gescheitert, warum er es überhaupt zuließ in eine solche Lage zu geraten, da er sonst in seinem Leben jegliche Art von Hilflosigkeit, Sprachlosigkeit und Unsicherheit zu vermeiden suchte. Sein Mundwerk ließ ihn sonst nie im Stich und hatte ihm schon ein paar Mal eine Menge Ärger eingebracht – und jetzt bekam er den Mund nicht auf, während sich seine Blase fast schmerzlich bemerkbar machte und auf Erleichterung drängte.

Alexander fasste ihm in die Haare und zog den Kopf zurück. Die Linien auf seinem Gesicht waren weich, die Augen dunkel und schwarz. Die Stille im Raum war von anderer Qualität als nachts, während Alexanders Blick Marcuss mit Festigkeit aber auch mit Sehnsucht festhielt. Marcus kämpfte mit seinem Verlangen den Blick zu senken, sich zu entziehen zurück in den Trotz und den Widerstand. Es wäre einer Kapitulation vor sich selbst gleichgekommen, dem Eingeständnis des eigenen Unvermögens die Situation auszuhalten. „Ich liebe dich!“, der banalste aller Sätze, kam über seine Lippen, nicht zögernd, aber leise und heiser krächzend. „Ich weiß,“ sagte Alexander, lächelte und gab ihm einen Kuss. „Und jetzt warte ich auf die Frage des Morgens.“ Alexanders Augen zogen sich ein wenig belustigt zusammen, während Marcuss nach dem Zusammenhang suchte und ihn nicht fand. Alexanders Hand, die unter die Decke fuhr und seinen Schwanz hart umfasste half ihm auf die Sprünge, während er zusammenfuhr. „Darf ich bitte auf die Toilette gehen?“ fragte er und fühlte Röte in seinem Gesicht aufsteigen. Alexander löste die Schlösser, die die Manschetten mit den Bettpfosten verbanden und murmelte „Außer ´ner Morgenlatte nix gewesen, ´nen Prachtarsch hast du trotzdem“, und ließ seine Hand einmal auf Marcuss Hintern klatschen.

Marcus Versuch halbwegs geschmeidig aus dem Bett zu steigen scheiterte an seinen steifen Gliedern und so humpelte er wenig elegant aus dem Schlafzimmer, besann sich kurz an der Tür und drehte sich noch einmal um. „Danke!“ Sein Versuch dabei dankbar zu klingen gelang nur ansatzweise.

(c) dare_or_not 2007

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